Man muss kein Fan von Friedrich Merz sein, um festzustellen: Dieser Besuch im Oval Office war rhetorisch gut vorbereitet. Und zwar nicht auf der politischen Ebene, sondern auf der psychologischen. Denn wenn man einem Mann wie Donald Trump begegnet, reicht es nicht, recht zu haben. Man muss verstanden haben, wie er funktioniert.
Regel Nummer eins: Spiegeln statt widersprechen.
Trump sagt: „I love the German people.“
Merz antwortet: „I love the American people.“
Inhaltlich belanglos? Vielleicht. Psychologisch wirksam? Ganz sicher. Wer sich selbst im Gegenüber gespiegelt sieht, fühlt sich sicher – und gehört. Eine einfache Technik, die in vielen Gesprächen Wunder wirkt. Nicht nur in Washington.
Regel Nummer zwei: Emotional verbinden – nicht argumentieren.
Merz überreicht die Geburtsurkunde von Trumps Großvater aus der Pfalz. Ein symbolisches Geschenk. Persönlich, verbindend, kaum angreifbar. Kein Airbus, keine Exportzahlen – sondern Herkunft und Geschichte.
Ein emotionaler Anker, der länger wirkt als jeder Faktencheck.
Regel Nummer drei: Wenige Worte, die sitzen.
Merz spricht wenig – und das ist klug. Aber wenn er etwas sagt, steckt mehr drin, als es scheint:
„Ich war schon einmal hier – 1982, als Reagan Präsident war.“
Unausgesprochen: „Ich bin kein Anfänger. Ich weiß, wie dieses Spiel funktioniert.“
Oder:
„Der 6. Juni war ein großer Tag – weil Euer Land uns Frieden brachte.“
Ein Satz, der Trump schmeichelt – und gleichzeitig ein historisches Fundament legt.
Und was hat das mit uns zu tun?
Mehr, als man auf den ersten Blick denkt. Denn auch im Alltag, in Unternehmen, Familien oder Organisationen, treffen wir auf Menschen, bei denen Sachargumente nicht weiterhelfen. Die Dominanz brauchen, gesehen werden wollen, ständig im Recht sein müssen. Der direkte Konflikt führt oft nur in eine Sackgasse.
Was stattdessen hilft:
Spiegeln: nicht zustimmen – aber aufgreifen, was dem anderen wichtig ist.
Persönliche Anker setzen: Verbindung schaffen, wo sonst nur Abwehr ist.
Weniger sagen, aber bewusst: mit Haltung, mit Geschichte, mit innerer Klarheit.
Das ist keine Unterwerfung – sondern kluge Gesprächsführung. Nicht im Sinne von Selbstverleugnung, sondern im Sinne von: Ich bestimme, wie ich wirksam bin.
Der Gedanke zum Tag
Manchmal beginnt echte Stärke nicht mit Widerspruch – sondern mit Verständnis. Nicht um sich kleinzumachen. Sondern um eine Brücke zu bauen, die auch in stürmischen Zeiten trägt.
Und frage mich: Was ist echt? Was ist Show? Und was suche ich hier eigentlich?
Sichtweisen zur Rhetorik für schwierige Gesprächspartner vom 07. Juni 2025 – von Ulrich Kern, Unternehmer & Business Coach. Mehr auf ulrichkern.de.