Manche Menschen schätze ich sehr – als Mensch. Ihre Wärme, ihre Offenheit, ihre Geschichte. Und doch beobachte ich mit wachsender Irritation, wie sich ihr öffentliches Bild verändert.
Da ist plötzlich viel Licht, viel Wirken, viel Meinung. Likes, Herzen, Kommentare.
Und irgendwann frage ich mich:
Wo hört Echtheit auf – und wo beginnt die Rolle?
Es scheint, als müsse heute jeder seine „Berufung“ sichtbar machen. Als ginge es weniger darum, einen Unterschied zu machen, als darum, so zu wirken, als würde man einen Unterschied machen.
Und genau das macht für mich den entscheidenden Unterschied.
Ich habe nichts gegen Inspiration. Aber ich habe etwas dagegen, wenn Inspiration zur Strategie wird. Wenn jedes Posting, jedes „Herz“, jede Meinung ein Mittel zum Zweck ist – zur Selbstvermarktung, zur Selbsterhöhung, zur Selbstvergewisserung.
Dann wird „Wirken“ zur Pose.
Und „Haltung zeigen“ zum öffentlichen Ritual.
Vor allem dann, wenn plötzlich zu jedem politischen Thema eine Meinung gepostet wird.
Nicht, weil man konkret etwas beiträgt. Sondern weil es gerade gut performt.
Weil es Reichweite bringt.
Weil es zeigt: Ich bin auf der richtigen Seite.
Die Frage ist nur: Wofür – und für wen?
Ich glaube, echte Wirkung braucht keine große Bühne. Sie geschieht oft leise. In Gesprächen. In Auseinandersetzungen. In Momenten, die nicht geteilt werden.
Und ja – vielleicht macht das weniger Eindruck. Aber mehr Eindruck auf das Leben anderer.
Ich schreibe das nicht, weil ich werten will. Sondern weil ich sortiere.
Weil ich spüre, dass ich andere Wege gehe.
Weg vom Wirbel.
Hin zur Stille.
Zur Substanz.
Zum echten Kontakt.
Ich kann Menschen wertschätzen – ohne ihren Weg mitzugehen.
Ich darf Abstand nehmen – ohne Urteil.
Ich darf mich abgrenzen – ohne Drama.
Denn Echtheit zeigt sich nicht in Worten. Sondern in dem, was bleibt, wenn alle Lichter aus sind.
Warum manche die Bühne brauchen und andere finden Kraft in der Stille. – Denkanstoß vom 08. Mai 2025 – von Ulrich Kern, Unternehmer & Business Coach. Mehr auf ulrichkern.de.